Interview mit Joost Geginat

Lösungen brauchen Mut

 

  • Herr Geginat, die Drees & Sommer-Themenreise ist vor allem auch eine Transformationsreise. Was benötigt ein Unternehmen für diesen Wandlungsprozess?

 

JOOST GEGINAT (JG): Vor allem Geduld und Mut. Es braucht entweder eine Zielvision, die so attraktiv und verständlich ist, dass alle Mitarbeitenden inspiriert sind mitzugehen oder eine Burning Platform, die einen zur Veränderung zwingt. Zum Glück stehen wir bei
GF Piping Systems nicht auf einer Burning Platform. 

 

  • Demnach haben Sie eine Zielvision – Wie sieht diese aus?

JG: Die Wasserkonservierung ist unsere Vision und unser Geschäft. Wir wollen umfassende Lösungen für das Wassermanagement im Zusammenhang mit Themen wie globaler Erwärmung, Urbanisierung und Bevölkerungswachstum entwickeln. Für uns ist es eine spannende und anspruchsvolle Aufgabe, mit der richtigen Mischung aus Tradition und Innovation eine klare Zukunftsausrichtung für unser seit 220 Jahren erfolgreiches Unternehmen zu schaffen. Das gelingt nur, wenn wir eine Vertrauenskultur aufbauen, im Rahmen einer neudeutsch gesprochenen „psychological safety”.

 

  • Das heißt: ohne Sicherheit keine Geduld und kein Mut?

JG: Solange es keine Burning Platform gibt, geht es darum, jeden Tag besser zu werden, obwohl es uns gut geht. Dabei fällt es uns leichter, Mut für Veränderungen zu entwickeln, wenn wir uns sicher fühlen. Wir investieren also in die „psychological safety” unserer Mitarbeitenden – nicht als Selbstzweck, sondern um Mut für Neues zu haben, um Neugier zu wecken und um von anderen zu lernen. Ein Best-Practice-Beispiel von einem Dritten – sei es im Unternehmen oder von außerhalb – darf nicht als Angriff auf die eigene Kompetenz verstanden werden.

 

  • Mit welchen Mitteln bemüht sich GF Piping Systems um Offenheit für andere Sicht- und Arbeitsweisen?

JG: Wir investieren in Lernkulturen und arbeiten sehr eng mit Universitäten, Ingenieurbüros, unseren Kunden oder Unternehmen wie Drees & Sommer zusammen. Wir beteiligen uns an Startups und Inkubatoren für Startups. Wir haben Business-Development-Teams aufgebaut, die sich um Zukunftsthemen wie Wasserstoff, Entsalzung oder die Produktion von Lithium-Batterien kümmern. Sie überlegen sich, was herausfordernde Themen unserer Gesellschaft für uns bedeuten und wie sie unsere Kunden und uns verbinden. Doch um sich schnell genug auf neue Trends einstellen zu können, müssen sich interne Prozesse und das Bewusstsein der Menschen verändern.

 

  • Wie geht GF Piping Systems diese Kommunikationsaufgabe an und wie kann das Netzwerk dabei helfen, ein anderes Bewusstsein zu entwickeln?

JG: Unseren großen Kunden ist völlig bewusst, dass unsere Produkte ihnen helfen, ihre Scope-3-Emissionen zu reduzieren und damit ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, indem unsere polymerbasierten Rohre weitaus weniger CO2-Ausstoß haben und Energie verbrauchen. Wir haben z.B. ein Projekt gewonnen für die Wasserversorgung der Stadt Helsinki, weil wir in der Lage waren, ihnen bis zum Rohmaterial hin den CO2-Fussabdruck unserer Lösung darzulegen. Das konnte sonst keiner. Das war für die Stadt sehr wichtig, weil sie publizieren konnte, dass sie sich für eine Qualitätslösung entschieden haben, die gleichzeitig auch die beste CO2-Bilanz aufweist.

 

  • Was bedeutet Wasserknappheit für die aktuelle und künftige Stadtentwicklung oder für die Planung neuer Produktions- und Logistikstandorte?

JG: Die wachsenden Megacitys in Sachen Wasserversorgung mit Smart Infrastructure auszustatten, ist ein großes Thema. Da geht es um Managementsysteme zur Kontrolle des Drucks und der Wasserqualität, um Leckage-Sensoren – sozusagen um die komplette Transparenz über alle Wasserläufe in einer Stadt oder einem Stadtviertel. Für die Industrie gilt im kleineren Maßstab das Gleiche. Hier geht es weniger um Leckagen, dafür aber um die Wiederverwendung von Wasser und um eine gesteigerte Effizienz durch dezentrale Behandlungsanlagen für benutztes Produktionswasser.

 

  • Worin bestehen Hindernisse bei der Ausgestaltung solcher Konzepte?

JG: Das Problem ist, dass sich diese Anlagen bei den aktuellen Wasserpreisen nur begrenzt rechnen und wir uns in Europa mit Verordnungen schwertun. Die fehlen bei uns. In Kalifornien sind solche Systeme bei größeren Gebäuden verpflichtend. Im Chase Center in San Francisco gibt es eine zirkuläre Anlage, die Regenwasser aufnimmt. Singapur behandelt braunes Wasser aus der Toilette so lange und konsequent, bis es Trinkwasser ist. Das ist kein schöner Gedanke, aber es funktioniert. Und da geht die Reise hin. Wir dürfen nicht ernsthaft glauben, dass der Wasserpreis angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und des wachsenden Verbrauchs in zehn Jahren noch so ist wie heute. Wir müssen neue Lösungen finden und das wiederum braucht Mut.

 

  • Verraten Sie uns doch zum Abschluss, was dahintersteckt…

JG: Es spricht nichts dagegen, viele Ideen zu entwickeln. Es spricht sehr viel dagegen, gute Ideen, die in schlechten Konzepten münden, zu lange zu verfolgen. Wir können andere nur inspirieren, wenn wir selbst inspiriert sind. Dazu müssen wir raus aus unserer Komfortzone und uns mit neuen Eindrücken versorgen. Für neue Sichtweisen müssen wir uns mit anderen Menschen als mit denen, die wir jeden Tag sehen, austauschen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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